Nicht zurück, nicht hinaus
Viele Geschichten folgen bis heute dem Modell der klassischen Heldenreise: Eine Figur verlässt die gewohnte Welt, durchquert ein fremdes Reich voller Prüfungen, wird verwandelt und bringt Erkenntnis zurück. Dieses Muster beruht meist auf einer Zwei-Welten-Mythologie: Diesseits und Jenseits, Alltag und Anderswelt, Geist und Materie, Himmel und Erde, Nirvana und Samsara.
Imaginal Fiction geht einen anderen Weg.
Sie setzt nicht auf die Gegenüberstellung zweier getrennter Bereiche, sondern auf die Entfaltung einer einzigen, vielschichtigen Welt. Transformation entsteht nicht durch das Verlassen der Welt, sondern durch eine veränderte Weise, in ihr anwesend zu sein. Auf sie zu antworten, statt auf sie zu reagieren.
Anstelle eines metaphysischen Oben oder Außen liegt der Fokus auf einem verkörperten Antworten auf das, was sich zeigt. Was zählt, ist nicht die Schwelle zwischen Welten, sondern die Art der Beziehung zur Wirklichkeit.
Dieser Unterschied zwischen Reaktion und Antwort ist der große, entscheidende Unterschied zwischen dem klassischen Heldenmuster und Imaginal Fiction. Was antworten tatsächlich bedeuten kann, wird durch Imaginal Fiction vielleicht erahnbar.
Imaginal Fiction berührt damit ein postmetaphysisches Weltgefühl: Erkenntnis ist keine Entdeckung »jenseits«, sondern eine Bewegung immanent in die Tiefe und Breite zugleich, vertikal und horizontal. Was sich verwandelt, ist nicht der Ort, sondern die Weise, wie Welt berührt und berührt wird. Und damit wird alles verwandelt.
Nicht hinaus, nicht zurück.
Hinein. In die Welt.
– Lucas Martainn